Magazin - Restauration

Die Rettung eines Junior Zagatos
Nr. 123 lebt wieder!

Das große Z ist eine der hartnäckigsten Formen des "Virus Alfa" - und eine der aufwendigsten. Deshalb hatte sich Ede Schlingmann seinen Traum "bis zuletzt" aufgehoben. 1986 war es dann soweit. Der Zagato sollte einem Bertone GTV, einem Fastback Spider und einem Montreal in der Garage Gesellschaft leisten. In der MARKT las der kaufentschlossene Alfisti von einem 70er Zagato mit guter Innenausstattung, neuen Türen, neuem Heckblech samt Schwellern und vereinbarte einen Besichtigungstermin.

Das Auto war ein eindrucksvoller Beweis dafür, wie geduldig Papier sein kann. Der Junior war teils zerlegt, die Karosserie mit acht Schichten Lack und die Innenausstattung mit verfilztem Plüsch beklebt. Trotz alledem entschloss sich Zagato-Freund Ede zum Kauf - wobei die Anreise von Celle nach Nürnberg mit dem Autoanhänger Entscheidungshilfe gab. "Der Vorbesitzer hatte das Auto am Telefon über den grünen Klee gelobt", ärgert sich Ede noch heute über das erste Kapitel seiner Zagato-Geschichte.

Die Fortsetzung sollte länger und arbeitsintensiver sein als geplant. Der frischgebackene Junior Z - Besitzer trennte die Außenschweller auf, wo die Spuren der letzten "Montageschaum - Prestolith - Restauration" zutage traten. In den weiteren Wochen wurde der Zagato total zerlegt. Für die Schweller und die Bodenbleche kam jede Hilfe zu spät. Sie wurden Blech für Blech nach Pappschablonen neu angefertigt und eingeschweißt.

Mit dem vollständigen Anblick der Verwüstung vor Augen hatte der gelernte Kfz-Mechaniker und Hobby-Restaurateur die Idee: Anfang Juni 1986 erstand er - quasi als 1:1-Schablone - einen zweiten Zagato mit einer restaurationswürdigen Karosserie, vielen Neuteilen und neuen Ledersitzen. Die vermeintlich geniale Lösung zeigte aber schon bald ihre Tücken. Vom zweitem Auto, dem 986sten, passte fast nichts zum 123sten, was auf die Handarbeit der Turiner Edelschmiede Zagato zurückzuführen ist. Der leidgeprüfte Restaurateur ließ sich dadurch nicht beirren und fand so das Zauberwort für alle Zagatorestaurationen: Handarbeit. Warum sollten seine Einzelanfertigungen schlechter sein als die der Zagato-Leute?

Er steckte das Auto in einen eigens angefertigten, achteckigen Arbeitsrahmen und fing an. Als nach zwei großen Tafeln Blech noch immer kein Ende in Sicht war, legte der Selbsthilfe-Karosseriebauer völlig demoralisiert eine Pause ein. Doch schließlich überwand er die Krise und fertigte neue Bleche für die Achsaufhängung vorn links an. Die Schweißpunkte für die Stoßdämpferdome und das dahinterliegende Verstärkungsblech wurden aufgebohrt, der Längsholm aufgetrennt, um ihn von innen sandstrahlen zu können. Das gleiche geschah auch auf der anderen Seite, wo der unerschrockene Restaurator ebenfalls die Befestigungspunkte der Radaufhängung erneuerte.

Nun hatte der Besitzer des angeschlagenen Coupés eine Basis geschaffen, an der man sauber schweißen und weiterarbeiten konnte. Nachdem er die Zugstrebenaufnahmen für die oberen Dreiecklenker erneuert hatte und sich nun den Innereien des arg mitgenommenen Vorderwagens zuwandte, musste sich Ede die keineswegs abwegige Frage seines Bruders gefallen lassen, ob es denn nicht einfacher sei, gleich ein eigenes Auto zu bauen. Unbeirrt trennte der Alfisti das obere und untere Frontblech heraus und bohrte sämtliche Verbindungspunkte zu den Querholmen auf. Ein erheblicher Teil des Vorderwagens ließ sich jetzt herausnehmen und zerlegen. Die Teile dienten als Vorlagen für Pappschablonen, die dann eine passgenaue Selfmade-Produktion der oberen Quertraverse, Kühlertraverse, Luftleitblechen, Verstärkungen und Scheinwerfermasken ermöglichten. Nun sah der Zagato mit seinen beiden "Stoßstangenhalterchen" eher einer Schubkarre als einem Italo-Sportwagen ähnlich.

Es folgten die beiden Quertraversen, die dem Stabilisator und der Motorhaube Halt geben, bevor der Vorderwagen mit den nachgefertigten Luftleitblechen und den Scheinwerferaufnahmen allmählich wieder Gestalt annahm. Anhand der Motorhaube wurde nun das obere Frontblech eingepasst. Das untere Gegenstück war vorläufig nicht zu beschaffen - was Ede schließlich durch ein bürokratisches Wunder doch noch gelang: Fünf Jahre zuvor war das Blech dem stolzen Besitzer einer Giulia Super fälschlicherweise geliefert worden und dieser war nach einer Suchanonce in MARKT bereit, sich für die lächerliche Summe des vierfachen Neupreises von dem guten Stück zu trennen. Glücklich hielt der Zagato-Besitzer das Blech nun endlich in seinen Händen. Nachdem er es eingeschweißt hatte, sah der Junior Zagato wieder wie ein Auto aus - zumindest von vorn.

Das nächste Kapitel der scheinbar unendlichen Geschichte handelte vom Kofferraumboden oder dem, was nach 18 Jahren noch davon übriggeblieben war. Am zweiten Junior war noch gut zu erkennen, wie es einmal werden sollte, und auch hier wurden die Bleche nach Pappschablonen nachgedengelt. Dann kam dem Restaurator einer jener Zufälle zu Hilfe, die schließlich immer wieder zum Weitermachen motivieren: In einer Kleinanzeige entdeckte er einen ausgebrannten 86er "Gummi-Spider". Dieser lieferte schließlich eine kerngesunde 2000er Mechanik mit 12.000 Kilometern Laufleistung und eine hervorragende Reserveradwanne, mit deren Hilfe der Kofferraumboden beträchtliche Fortschritte machte. Mit eingebauter Heckklappe konnte nun das Heckblech eingepasst werden. Nach zweieinhalb Jahren aufreibender Arbeit, die im nachhinein Spaß gemacht hatte, war Ede nun stolz, eine vernünftige Zagato-Karosserie zu besitzen. Jetzt sollte der Endspurt kommen, dachte er - und irrte sich. In dem Arbeitsrahmen brachte er sein Auto zum Sandstrahlen. Der "Sandstrahler" hatte vorher wohl nur dickwandige T-Träger gestrahlt, diese Behandlung brachte einiges an Nachtarbeit mit sich, die der Unterstützung eines Fachmanns bedurften. Merke: dünnwandige Blechflächen niemals mit Sand "bewerfen". Ein Freund aus Berlin, seines Zeichens seit 25 Jahren Karosseriebauer, zauberte mit Flamme, Ausbeulhammer, Karosseriefeile und Zinn, dass schon das Zuschauen eine reine Freude war. Anschließend waren die vom Sandstrahler verursachten Beulen wieder besser egalisiert, als wäre der JZ original vom Werk ausgeliefert worden! Der selbstbewusste Karosseriekünstler kommentierte dies mit einigem Lokalpatriotismus: "Icke bin Berliner - da macht mir keena wat vor!" Dazu Ede Schlingmann: "Wenn ich die Verzinnerei selbst in die Hand bekommen hätte, wäre ich wahrscheinlich nicht mit der doppelten Menge ausgekommen. Nach dieser Behandlung sah das Auto wie ein handgefertigter Prototyp aus - richtig beeindruckend!" Nun war der Besitzer wieder selbst am Zug. Er strich die nun völlig entlackte und rostfreie Karosserie von unten und innen mit Kaltzinkfarbe und versiegelte nach der Grundierung die Schweißnähte mit Karosserie-Dichtmasse.

Anschließend wurde der gesamte Unterboden zweimal mit mattschwarzer Farbe lackiert. Innen und unter der Motorhaube kam nun zum erstenmal die spätere Wagenfarbe zum Einsatz: Ferrari-gelb. Nachdem die Bodengruppe mit Bitumenschmelzmatten ausgekleidet worden waren, sorgte eine zweite Lackschicht für eine äußerlich seriennahe Oberfläche. Im Werk wurden die Dämmatten direkt aufs Blech geklebt, was wegen mangelnder Rostvorsorge bei der Restauration nicht in Frage kam. Der Rost sollte sich an diesem Zagato künftig die Zähne ausbeißen, hatte Ede sich geschworen, weshalb nun hohlraumversiegelndes Wachs "Ede Spezial" im Überfluss versprüht wurde (der Lackierer sollte später seine Freude daran haben). Dabei machte sich das achteckige Arbeitsgestell angenehm bemerkbar, denn zur gleichmäßigen Verteilung des Wachses ließ sich der Wagen nun einfach um seine Achse drehen. Das gesamte Fahrwerk vom Stabilisator bis zur Hinterachse wurde anschließend sandgestrahlt, lackiert, neu ausgebuchst, abgedichtet und wieder mit der Karosserie verbunden - schließlich sollte den Herren beim TÜV mal wieder richtig der Kopf verdreht werden. Bald stand das italienische Prachtstück wieder auf den Rädern. Es folgte das gefürchtete Kapitel "Elektrik für Unerschrockene". Aus einem wirren Knäuel von Drähten, Schaltern, Lüsterklemmen und etlichen bunten Quetschverbindern wurde in mühevoller Puzzlearbeit ein Kabelbaum rekonstruiert.

Der mittlerweile liebevoll "aufgearbeitete" Zweiliter aus dem Spider, der später auch den Segen des TÜV erhielt, wurde an einem Sonntagnachmittag in sein neues Gehäuse verpflanzt. Um 22.30 Uhr lief die Maschine, und Ede, der sich zu diesem Zeitpunkt mit einer heftigen Erkältung plagte, fiel erleichtert ins Bett. Die beiden hilfreichen "Motor- und Getriebeeinbauer" Frank und Klaus feierten die Auferstehung des Doppelnockers in der Garage so nachhaltig, dass am nächsten Morgen der gesamte Biervorrat verschwunden war und die beiden einen "blauen" Montag einlegten. Dann war der Junior Zagato ein Fall für den Lackierer. Auch dieser arbeitete recht zügig, so dass der zunehmend ungeduldige Besitzer drei Wochen später mit der Endmontage beginnen konnte. Dann war da noch die "hervorragende" Innenausstattung, die nun gar nicht mehr zum Auto passen wollte. Plüsch? Nein danke! Ein guter Teppich und viel schwarzes Leder mussten her, um den mittlerweile gehobenen Ansprüchen des Besitzers an sein Traumauto zu genügen. Vorsichtig setzte er die Scheiben ein, montierte Zierleisten, Scheinwerfer samt Plexiglasabdeckung, Rückleuchten, Schriftzüge und Kleinteile - fertig. Nach der Endreinigung stand der Zagato wie ein Neuwagen da. Aus der Sicht des Besitzers sogar besser. Denn Ede hatte sich aller Originalitätsvorlieben zum Trotz für die "falsche" Farbe, für das "falsche" Holzlenkrad, das "falsche" Leder und vor allem ein völlig "falsches" Innenleben seines Zagato 1300 Junior entschieden. Der Zweiliter aus dem frühzeitig verblichenen Spider setzte unter den Händen des geübten Alfa-Schraubers ungeahnte Reserven frei. Etliche Feinheiten lassen den schnittigen gelben JZ mit den modernen Konkurrenten gleichziehen. "Ein Corrado G 60 ist keineswegs schneller", schmunzelt Ede.

Unbedarfte Beobachter, die das große Z an den vorderen Kotflügeln für Zorros legendäres Signet halten, liegen also gar nicht so falsch. Dieser Junior Zagato ist eine späte Revanche der Alfisti. Zagato reitet wieder - und er ist schneller als je zuvor!

Text - Fotos - Restauration: Ede
Textverarbeitung: Peter
Hilfestellung u. Originalersatzteile: H.G.Schütte, Wedemark

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